Wednesday, May 13, 2009

Geplante Medizin- und Ärzte-Sperre: Zusätzliche Praxis-Gebühren schließen arme Menschen von ärztlicher Versorgung aus

Geplante Medizin- und Ärzte-Sperre:

Zusätzliche Praxis-Gebühren schließen arme Menschen von ärztlicher Versorgung aus

Demontage des sozialen Bundesstaates - „Abwrack-Prämie“ für die Medizin in Deutschland


Von Andreas Klamm

Berlin. 13. Mai 2009. Die geplante Internet-Zensur erhitzt die Gemüter in ganz Deutschland und in Europa. Mehrere Tausend Menschen haben sich an einer Petition beim Deutschen Bundestag gegen die Einführung der Internet- und Kommunikations-Zensur beteiligt. Mit der Einführung von Internet-Sperren sollen Kinder vor Pädophilie geschützt werden. Experten kritisieren die geplanten Vorhaben. Die Pädophilie-Anbieter müssten verfolgt und deren Angebote komplett vom Internet genommen werden. Internet-Sperren seien keine geeignete Schutz-Maßnahmen, begründen die Gegner der geplanten Maßnahmen ihre Ablehnung und befürchten die Einführung einer Internet- und Kommunikations-Zensur.

Foto: Pixelio.de

Obgleich die allgemeine Situation in der globalen Welt-Wirtschaftskrise für viele Menschen bereits sehr angespannt in Deutschland und in aller Welt ist, planen Spitzen-Politiker in Berlin jetzt offenbar eine Art „Ärzte- und Medizin-Zensur“. Wer mit der Einführung von „Arzt- und Medizin-Sperren“ möglicherweise geschützt werden soll, bleibt zur Zeit allerdings ein Rätsel.

Laut dem Grundgesetz ist Deutschland ein sozialer und demokratischer Bundesstaat. Auf dem Papier liest es sich gut und wunderbar. Doch die Praxis soll nach dem Willen deutscher Politiker und Politikerinnen bald ganz anders aussehen. Politische Spitzen-Vertreter planen die Einführung einer zusätzlichen Praxis-Gebühr, die bei jedem Arzt-Besuch bezahlt werden muss. Das würde vor allem für bereits wirtschaftlich und finanzielle benachteiligte Menschen, etwa Kinder, Rentnerinnen, Arbeits-suchende Menschen, chronisch kranke und behinderte Menschen, Sozial-Hilfe-EmpfängerInnen in der Praxis eine ganz reale „Medizin- und Arzt-Sperre“ aus rein finanziellen und wirtschaftlichen Gründen bedeuten.

Nicht nur in den Reihen der Fraktion der Linke bestehen große Zweifel an einer Maßnahme, die möglicherweise deutsche Ärzte vor „zu vielen kranken Menschen“ in Deutschland schützen soll.

Der Gesundheits-politische Sprecher der Fraktion Die Linke kritisierte die Pläne sehr deutlich: "Wer ernsthaft die Praxis-Gebühr für jeden Arzt-Besuch fordert, hat alle ethisch-moralischen Grundsätze über Bord geworfen. Es muss im Gegenteil darüber diskutiert werden, die Praxis-Gebühr und alle anderen Zuzahlungen abzuschaffen".

Der Die Linke-Politiker Frank Spieth „schwimmt“ gegen den allgemeinen politischen Mainstream und forderte die Abschaffung der Arzt-Praxis-Gebühr für Patienten im Allgemeinen: "Eine Praxis-Gebühr bei jedem Arztbesuch schließt Gering-Verdiener de facto von der ambulanten medizinischen Versorgung aus. Die Gesetzliche Krankenversicherung existiert aber zu dem Zweck, den Kranken eine hochwertige Gesundheits-Versorgung zu sichern. Die Grundsätze "Gesunde für Kranke, Gut-Verdiener für Gering-Verdiener und Junge für Alte müssen uneingeschränkt gelten. Mit erhöhten Zuzahlungen aber werden diese Prinzipien auf den Kopf gestellt.

Unsere Forderung an einzelne Standesvertreter der Ärzteschaft lautet daher: Mehr Ethik und nicht nur Monetik! Die fortschreitende Kommerzialisierung und Privatisierung muss endlich gestoppt und umgekehrt werden. Wahltarife, die Gesunde auf Kosten der Kranken entlasten spalten unsere Gesellschaft in Gewinner und Verlierer. Die private Krankenversicherung sorgt für eine Privilegierung der Privilegierten.

Die Zwei-Klassen-Medizin, die dafür verantwortlich ist, dass Armut zu einem früheren Tod führt, muss überwunden werden. Mit unserem Vorschlag einer Bürgerinnen- und Bürger-Versicherung steht DIE LINKE für ein solidarisches Gesundheitssystem, das allen die benötigten Leistungen Zuzahlungs-frei garantiert."

Sollten die neuen Pläne umgesetzt werden, dann müssen kranke Menschen bei jedem Arzt-Besuch 10 Euro oder mehr bezahlen. Wer etwa bei einer Einstellung eines Diabetes mellitus (Stoffwechsel-Erkrankung) fünfmal in der Woche zum Arzt muss, findet dann nur Einlass in die Arzt-Praxis mit einem 50-Euro-Schein (umgerechnet cirka 100 Deutsche Mark).

Sozialhilfe-Empfänger und chronische kranke Menschen, die häufiger zum Arzt-Besuch müssen als gesunde Menschen, müssten künftig aufgrund von Armut aus rein finanziellen Gründen bei Mini-Einkünften von rund 345 Euro im Monat öfters auch auf dringend notwendige Arzt-Besuche verzichten.

Würde wie im Beispiel genannt, der an Diabetes mellitus erkrankte Patient aus finanziellen Gründen wegen Armut nicht zum Arzt-Besuch können, drohen der Allgemeinheit und der Gemeinschaft der Sozial-Versicherten und Steuerzahler sogar wesentliche höhere Kosten beim Eintritt lebensbedrohlicher Not-Situationen durch den zuvor nicht möglichen Besuch beim Arzt. Der Einsatz eines Not-Arztes kostet je nach Region cirka 1.500 Euro, der notwendige Rettungswagen bis zu 1.200 Euro und die Pflege auf der Intensiv-Station zwischen 800 und 2.000 Euro pro Tag je nach Region und Krankenhaus.

Bereits beim Eintritt eines Hypoglycämischen Schocks kann bei Patienten, die an der Stoffwechsel-Krankheit erkrankt sind, eine lebensbedrohliche Notfall-Situation entstehen, die den Einsatz von Notarzt, Rettungswagen und Intensiv-Pflege-Stationen notwendig macht.

Die erhoffte Kosten-Ersparnis mit dem geplanten Ausschluss aus der ambulanten medizinischen Versorgung von chronisch kranken Menschen und Menschen mit geringen finanziellen Einkünften könnte damit die Gemeinschaft aller Steuer- und Sozial-Versicherungs-Zahler wesentlich höher belasten als die Teilhabe chronisch kranker und finanziell benachteiligter Menschen an der ambulanten medizinischen Versorgung durch Haus-Ärzte oder ambulante Fach-Ärzte.

Nicht wenige Kritiker der geplanten neuen Arzt-Praxis-Gebühr, die bei jedem Arzt-Besuch fällig werden wird, befürchten die komplette Demontage des sozialen und demokratischen Bundesstaates, das Deutschland nach dem Grundgesetz sein sollte. Die Gesetzliche Krankenversicherung würde sich mit den neuen Zusatz-Kosten weniger oder mehr selbst überflüssig machen. Wem würde eine Gesetzliche Krankenkasse nutzen, wenn dennoch jeder Arzt-Besuch zusätzlich bezahlt werden muss?

Private Versicherungs-Dienstleister bieten in ihren Werbe-Botschaften monatliche Private Kranken-Versicherungs-Beiträge (PKV) bereits ab 59 Euro im Monat an. In der üblichen Praxis fallen allerdings zwischen 400 bis 800 Euro an monatlichen Mitglieds-Beiträgen für eine Private Krankenversicherung (PKV) abhängig von geografischen Regionen und Erkrankungen der Versicherten an.

Von vielen Menschen wird die neue Diskussion über die praktische Erschwernis des Zugangs zur ambulanten medizinischen Versorgung in Deutschland weiter deutlich kritisiert: „Offenbar will ein Teil der Ärzteschaft keine kranken Menschen in den Arzt-Praxen, sondern nur noch den Zugang zum Bank-Konto kranker Menschen.“

Gesunde Menschen genießen das große Glück, nicht in die Arzt-Praxis zu müssen und fallen damit als potentiell neuer Kunden-Kreis für Ärzte aus. Denn wer gesund ist, kann auf kostspielige Besuche in Arzt-Praxen ohnehin verzichten.

Ob wie in der Pflege eine Abwanderung von chronisch kranken Patienten in das Ausland zu erwarten ist, in der Pflege werden häufig die günstigeren Angebote polnischer Billig-Dienstleiter genutzt, statt die deutschen Pflege-Dienste, bleibt abzuwarten. Bei kosmetischen Operationen, um nur ein Beispiel zu beschreiben, nutzen die Kunden bereits die wesentlich günstigeren Angebote von Kliniken aus Ost-Europa. Genauer betrachtet, macht sich mit den neuen Planungen einiger Spitzen-Politiker in Berlin, das gesamte deutsche Gesundheits-System oder die Überbleibsel des früher existierenden Gesundheits-Systems in Deutschland selbst überflüssig.

Die Menschen, die noch als Kunden des kranken und deutschen Gesundheits-“Systems“ verbleiben, meist gering-verdienende chronisch kranke Menschen, Kinder und Rentnerinnen haben die Botschaft einiger Politiker und Ärzte hingegen sehr gut verstanden, die jetzt offenbar lautet: „Wir wollen keine kranken Menschen in den ambulanten Arzt-Praxen. Wir wollen Geld!“.

Ob es in Zeiten der globalen Welt-Wirtschaftkrise sehr ratsam für Ärzte und Politiker ist, den Kunden, das meint in dieser Situation, die chronisch kranken Menschen mit geringen Einkünften grundsätzlich aus ambulanten Arzt-Praxen zu verbannen, weil diesen der Zugang mit noch höheren Kosten bei noch geringeren oder komplett fehlenden Einkünften zu den Arzt-Praxen und zur medizinischen Versorgung nicht mehr möglich sein wird, ist stark zu bezweifeln.

Es ist etwa mit der Situation vergleichbar, wie wenn die Geschäftsführer der großen Supermarkt-Ketten ihren Kunden zurufen: „Wer weniger als 2000 Euro im Monat verdient, ist bei uns unerwünscht. Arme Menschen haben kein Zutritt zu unseren Supermärkten.“

Da die Geschäftsführer von Supermärkten wissen, dass es nicht gut für das Geschäft ist, Kunden von der Teilhabe am Einkauf im Supermarkt aufgrund ihrer Armut aus zuschließen, hat keiner dieser Geschäftsführer derartige oder vergleichsweise „verrückte“ Ideen bislang zur Diskussion gestellt.

Mit noch mehr Geld, das Politiker und Ärzte von den armen Menschen fordern, können in einer Zeit der globalen Welt-Wirtschaftskrise und Finanzkrise arme Menschen nicht dienen. Damit sind die Massen-Schließungen von Arzt-Praxen in Deutschland, ähnlich wie bei den Massen-Schließungen der Post-Filialen nur noch eine Frage der Zeit.

Obgleich die Hoffnung einiger Menschen sehr groß sind, rechnen politische Experten nicht damit, dass es Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach der Wahl im September 2009 als potentiell neuer Bundeskanzler gelingen kann, mehrere Millionen neue Arbeitsplätze mit ausreichenden Einkünften zu schaffen, die notwendig wären um neue finanzielle Gewinn-bringende Geschäfte im Gesundheitswesen mit Erfolg anzukurbeln. Die Gewerkschaften warnen bereits seit Jahren davor, dass immer mehr Menschen „Arm trotz Arbeit.“ werden.

Die Gefahren einer wachsenden Armut einer Vielzahl von Menschen in Deutschland könnte zur Bedrohung für die gesamte Ärzteschaft, der Kliniken, des Gesundheitswesen, des Rettungsdienstes und der Pharma-Industrie in Deutschland werden. Immerhin droht bei ausbleibender Kundschaft auch Ärzten die Gefahr bettelarm zu werden und sich noch nicht einmal mehr die Leistungen ihrer eigenen Arzt-Praxis leisten zu können.

Da jedes Kind im Vorschul-Alter weiß, dass wo nichts ist, auch nichts zu holen ist, bedürfen Ärzte und Medizin in der Regel vermutlich seltener den Hinweisen der Gefahr der Verarmung und Arbeitslosigkeit, wenn arme Menschen als Kunden aus den ambulanten Arzt-Praxen mittels „Medizin- und Arzt-Sperre“ verbannt werden.

Die Stimmen der Gegnerinnen der allgemeinen Bürger-Versicherung lehnen diese Bürgerversicherung ab, weil man keine Gesundheits-Versorgung in Deutschand nach dem Prinzip einer „Kopf-Geld-Steuer“ vielmehr „Kopf-Geld-Versicherung“ in Deutschland wolle. Deutschland sei kein Land in dem „Kopf-Geld-Jäger auf Jagd auf kranke Menschen gehen könnten.“

Den Zugang zur ambulanten medizinischen Versorgung für arme Menschen zu sperren oder vielmehr aufgrund von wachsender Armut und der geplanten Erhöhung der Einlass-Gebühren zum Arzt unmöglich zu machen, bedeutet kurzsichtig betrachtet möglicherweise eine erhöhte Gewinn-Steigerung für das deutsche Gesundheits-System. Doch da sich real betrachtet, die Masse der Menschen bereits heute keine medizinische Versorgung mehr in Deutschland leisten kann, bedeutet der neue Plan, die finanziellen Hürden für chronische kranke und arme Menschen letztlich die von der Politik verordnete „Abwrack-Prämie“ für ambulante Arzt-Praxen, Kliniken, des gesamten Gesundheits-Systems und der pharmazeutischen Industrie in Deutschland.

Ob es ein wirklich konstruktiver und guter Plan ist, das gesamte deutsche Gesundheits-System und die Pharma-Industrie in Deutschland „zu verschrotten“ bezweifeln in ungewohnter Einigkeit nicht wenige betroffene kranke Menschen, Ärzte und auch Vertreter der Pharma-Industrie. Bislang gibt es keine besseren Alternativen, sieht man von dem Outsourcing der gesamten Medizin nach Ost-Europa und Asien ab.

Im Vergleich zur Situation in Deutschland: In den Vereinigten Staaten von Amerika leben etwas mehr als 50 Millionen Menschen ohne Kranken-Versicherung und wer kein Geld hat, kann bekanntlich nicht zum Privat-Arzt sondern allenfalls noch einen Natur-Heiler oder indianischen Schamanen zwei bis dreimal im Jahr besuchen, die möglicherweise nicht immer zuverlässige Heilungs-Methoden etwas günstiger anbieten als Privat-Ärzte.

Vor nicht allzu langer Zeit sagte ein alter, weiser und auch kranker Mann: „Ich gehe nicht gerne als ein Patient in ein Krankenhaus. Dort wird man nur noch kränker und ärmer.“ Hatte der alte Mann eine Vor-Ahnung von den neuen Plänen der Volks-Vertreter in Berlin?

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